Fragen & Antworten zur Gebäude-Räumung in der Löffelstelzer Straße

Veröffentlicht am Mittwoch, 6. November 2024
(geralt/pixabay.com)
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Wegen eklatanter Brandschutz-Mängel und einer akuten Gefahrensituation musste die Stadt Bad Mergentheim einschreiten und die Nutzung eines Wohnhauses in der Löffelstelzer Straße untersagen. Dieses Wohnhaus wurde nach Ablauf einer gewährten Frist am Mittwochmorgen, 6. November, mit Unterstützung durch die Polizei geräumt. Den betroffenen Mieterinnen und Mietern wurde von der Stadt die Hand zur Hilfe gereicht. Hier finden Sie transparente und ausführliche Antworten auf häufig gestellte Fragen zu dem gesamten Vorgang.

Warum verbietet die Stadt die Nutzung eines privaten Wohnhauses?

Der gesamte Wohnblock steht im Privatbesitz einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die die einzelnen Wohneinheiten in privaten Mietverhältnissen vermietet. Das Gebäude befindet sich in einem eklatanten baulichen Zustand. Insbesondere betrifft dies brandschutztechnische Anforderungen. Diese Mängel führen im vorliegenden Fall zu einer konkreten Gefahr, weshalb „Gefahr in Verzug“ vorliegt. Gemeint ist damit, dass Leib, Leben und die Gesundheit der Mieterinnen und Mieter, der Besucherinnen und Besucher gefährdet ist. Von diesen Zuständen erfuhr die Stadt aufgrund zahlreicher Feuerwehr-Einsätze und nachgelagerter Überprüfungen. Wenn sie von einer solchen Situation Kenntnis hat, muss die Stadt als untere Baurechtsbehörde einschreiten, um die betroffenen Menschen zu schützen, bevor es zu einer konkreten Gefahrenlage kommt.

Welche Brandschutz-Mängel gibt es und wie gravierend sind diese?

Die Brandschutz-Mängel sind vielfältig und haben vor allem eine Konsequenz: Jede Feuer- oder Rauchentwicklung in diesem sehr großen Gebäude ist für die Menschen, die sich darin befinden, akut lebensbedrohlich. Alle notwendigen Rauch- und Brandschutztüren in den notwendigen Fluren und notwendigen Treppenräumen sind nicht funktionstüchtig; es gibt keinen zweiten baulichen Rettungsweg; die notwendigen Flure und notwendigen Treppenräume stehen voller brennbarem Material; Flucht- und Rettungswege waren unbeleuchtet (inzwischen ist die Stadt in Vorleistung getreten und zahlt den dafür notwendigen Strom); Flucht- und Rettungswege sind abgeschlossen oder zugestellt; Feuerlöscher und Wandhydranten sind nicht geprüft oder fehlen ganz. Im Detail können die Mängel und deren Auswirkungen auch hier in unserer Allgemeinverfügung zur Nutzungsuntersagung nachgelesen werden (Seiten 3 und 4).

Wie wurde das Gebäude in den vergangenen Wochen gesichert?

Die Stadt hat mit öffentlichen Geldern eine Brandwache eingesetzt, die Tag und Nacht im Gebäude ist. Mitte Oktober konnte nur dank der Brandwache ein Brandereignis frühzeitig entdeckt werden, erste Maßnahmen wurden durch diese getroffen und die alarmierte Feuerwehr konnte schlimmere Auswirkungen verhindern. Die Brandwache kann jedoch nur eine Übergangslösung sein. Dies hat zum einen finanzielle Aspekte, zum anderen konnte auch durch die Brandwache nicht verhindert werden, dass weitere Brände im Gebäude entstanden sind.

Ist es nicht übertrieben, das Gebäude zu räumen? Reagiert die Stadt hier zu hart oder unverhältnismäßig?

Die Stadt hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Nutzungsuntersagung und in Folge die baurechtliche Allgemeinverfügung zu deren Duldung sind in der Baurechtsbehörde unter sorgfältiger juristischer Prüfung und Abwägung erlassen worden, waren aber letztlich geboten und damit verhältnismäßig. Die Nutzungsuntersagung und die daraus resultierende Duldungsverfügung ist eine Folge aus dem bereits zwei Jahre anhängigen Verfahren und keine Spontan-Reaktion der Stadt.

Was hat die Stadt im Vorfeld getan, damit Abhilfe geschaffen wird?

Die Stadt Bad Mergentheim fordert die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits seit Dezember 2022 – also seit fast zwei Jahren – dazu auf, das Gebäude so instand zu setzen, dass die Brandschutzauflagen aus den Baugenehmigungen wieder erfüllt werden. Sie hat gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft die Dringlichkeit klar zum Ausdruck gebracht. Auch gemeinsame Termine mit zumindest einem Teil der Eigentümerinnen und Eigentümer haben stattgefunden, blieben jedoch leider ohne Wirkung. Eine gesetzte Frist, bis 24. September 2024 wenigstens die notwendigen Beschlüsse vorzulegen, verstrich ergebnislos.

Warum müssen die Mieterinnen und Mieter ausziehen?

Die Stadt muss die Nutzungsuntersagung durchsetzen, um Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit von den betroffen Mietern, Bewohnern und Besuchern abzuwenden. In letzter Konsequenz mit Zwang und mit der Unterstützung durch die Polizei, wenn Bewohnerinnen und Bewohner der Aufforderung nicht nachkommen. Verantwortlich dafür sind die Eigentümerinnen und Eigentümer des Gebäudes, die für die Mieteinnahmen, die sie von ihren Mieterinnen und Mietern erhalten, nicht die Gegenleistung eines Wohnhauses mit Mindestsicherheitsstandards erbringen. Erst wenn die Mieterinnen und Mieter das Haus verlassen haben, sind diese außerhalb der dortigen Gefahrensituation. Andernfalls würde – da eine Handlungsbereitschaft auf Seiten der Wohnungseigentümergemeinschaft seit zwei Jahren nicht erkennbar war – die schwierigen Zustände weiter bestehen und sich verschärfen.

Wurden die Betroffenen kurzfristig vor vollendete Tatsachen gestellt?

Nein. Den Eigentümerinnen und Eigentümern ist seit zwei Jahren kommuniziert, dass die Stadt die Zustände als nicht tragbar bewertet. Auch viele Mieterinnen und Mieter sind sich über diese Zustände bewusst. Mit Erlass der Nutzungsuntersagung vom 16. Oktober 2024 erhielten alle Mieterinnen und Mieter ein Informationsschreiben der Stadt. Da aufgrund der Gefahrensituation eine Auszugsfrist nur bis 5. November 2024 gewährt werden konnte, unterbreitete die Stadt konkrete Hilfsangebote, siehe dazu auch nächster Themenblock.

Was tut die Stadt für die Mieterinnen und Mieter?

Die Mieterinnen und Mieter sind die Leidtragenden der Situation. Das ist der Stadt bewusst – auch wenn die Stadt diese Situation nicht verschuldet hat. Wir haben deshalb sowohl schriftlich wie auch im persönlichen Gespräch gegenüber allen, die wir vor Ort angetroffen haben, ein Hilfsangebot unterbreitet. Alle betroffenen Mieterinnen und Mieter erhielten bereits Mitte Oktober einen Kontakt zum städtischen Sozialamt mit konkreter Ansprechperson. Wir haben darum gebeten, dass sie sich frühzeitig bei uns melden, falls sie eine kommunale Ersatzunterkunft benötigen. Einige haben das auch getan und wurden durch uns untergebracht. Letztlich ist auch alles weitere, was die Stadt getan hat, in erster Linie für die unmittelbar Betroffenen und deren Sicherheit getan worden: die 24-Stunden-Brandwache, das Wiederanstellen des Allgemeinstroms, der Druck auf die Eigentümerinnen und Eigentümer etc.

Was passiert mit den Menschen, die unter polizeilichem Zwang ihre Wohnung verlassen mussten – sind diese jetzt obdachlos?

Niemand wird von der Stadt auf die Straße gesetzt! Wer nicht anderweitig unterkommen konnte, beispielsweise bei Verwandten oder Bekannten oder in einer anderen Wohnung, konnte sich noch am Mittwoch an das Sozialamt wenden. Bei der Gebäuderäumung ist unser Sozialamt sogar vor Ort gewesen und hat die zwei Personen, die noch im Gebäude waren, untergebracht. Die Unterbringung von Wohnungslosen ist eine kommunale Pflichtaufgabe, der die Stadt Bad Mergentheim zu jeder Zeit nachkommt.

Müssen die Betroffenen nun in Container ziehen?

Kommunale Ersatzunterkünfte erfüllen Mindestanforderungen wie Wohnen/ Heizung/ Sanitärbereich etc. Die Stadt Bad Mergentheim hält solche Unterkünfte in Form von voll funktionsfähigen Wohncontainern, Einzelwohnungen und Gebäuden vor. Eine Zuweisung erfolgt nach individuellen Kriterien.

Warum ist die Ersatzunterbringung auf drei Monate befristet?

Bei jeder Wohnungslosenunterbringung gibt es die Auflage, dass sich Betroffene alle drei Monate beim Sozialamt melden. Bei diesem Termin wird gemeinsam geschaut, wie die Situation aussieht und ob weiterhin eine kommunale Unterbringung benötigt wird. Diese Selbstverständlichkeit bedeutet nicht, dass Mieterinnen und Mieter aus der Löffelstelzer Straße 30 dann ab Ende Januar obdachlos werden.

Auf welcher Rechtsgrundlage handelt die Stadt?

Nach Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO) ist ein behördliches Einschreiten geboten, wenn die Anforderungen der Baubehörde nach Erteilung der Baugenehmigung nicht erfüllt werden, um Gefahren für Leben oder Gesundheit von den Benutzenden der baulichen Anlage abzuwenden. Ein Mittel dafür ist laut § 65 Abs. 1 LBO die Nutzungsuntersagung. Voraussetzung (auch für die Räumung des Gebäudes per Zwang) ist eine konkrete Gefahr, die hier durch die Brandschutz-situation und die damit verbundene Risikoeinschätzung gegeben ist: Ein Schadenseintritt ist hinreichend wahrscheinlich. Damit erfolgt auch die Zwangsräumung mit anschließender Versiegelung des Gebäudes im besonderen öffentlichen Interesse. Die Androhung und Durchsetzung von unmittelbarem Zwang hat ihre Rechtsgrundlage im Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG).  Im Detail können die Rechtsgrundlagen in der Öffentlichen Bekanntmachung zur Allgemeinverfügung zur Duldung der Nutzungsuntersagung eingesehen werden.

Wie es in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist, könnten die Entscheidungen der Stadt Bad Mergentheim mit Widerspruch oder Klage angegriffen werden.

Wer kommt für die hohen Kosten auf, mit denen die Stadt übergangsweise in Vorleistung geht?

Die Stadt wird die aufgelaufenen Kosten im sechsstelligen Bereich sowie alle weiteren Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft im Zuge der Ersatzvornahme in Rechnung stellen.

Es gibt Medienverlautbarungen namens der Wohnungseigentümergemeinschaft, wonach ein Brandschutzkonzept vorliege und umgesetzt werden solle. Warum muss das Gebäude trotzdem geräumt werden?

Bis zur Ertüchtigung des Gebäudes stellt die Bewohnung eine untragbare Gefahrensituation dar. Die Stadt Bad Mergentheim sieht die notwendige Ertüchtigung des Gebäudes als unabdingbar an. Die Entscheidung zur Ertüchtigung und deren Umsetzung muss durch die Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen werden und stellt somit eine Perspektive für jene Mieterinnen und Mieter, die in ihre Wohnungen zurückkehren wollen, dar.

Die Stadt hat bereits gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft signalisiert, dass hilfestellend die brandschutztechnische Ertüchtigung begleitet wird, sodass die brandschutztechnischen Mindeststandards erfüllt sind. Uns liegen Brandschutzunterlagen vor, diese sind weder finalisiert mit uns abgestimmt worden, noch wurden sie zur Umsetzung freigegeben.