Biodiversität

Biodiversität (Bild: pixabay.com)
Biodiversität (Bild: pixabay.com)

Der Begriff Biodiversität umfasst drei große Bereiche, die eng miteinander verzahnt sind. Die Vielfalt der Ökosysteme. Die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Unser Main-Tauber-Kreis ist der am ländlich geprägteste Landkreis in ganz Baden-Württemberg. Bad Mergentheim selbst besitzt eine hohe Vielfalt unterschiedlichster Lebensräume für zahlreiche z.T. vom aussterben betrohte Tier- und Pflanzenarten. Doch auch wir sind nicht davor gefeit, diese Vielfalt zu verlieren. Daher hat sich Bad Mergentheim dem Erhalt der biologischen Vielfalt verpflichtet.

Biodiversität bzw. biologische Vielfalt umfasst alle Bereiche unseres Lebens. Sobald ein Zahnrädchen fehlt, funktioniert das große Ganze nicht mehr. Daher ist die Stadt Bad Mergentheim der Ansicht, dass man dieses Thema Resortübergreifend anpacken muss. Hierzu wurden bereits vor einigen Jahren die Arbeitsgruppe Waldumbau sowie der Runde Tisch Biodiversität mit Vertretern von Vereinen, Verbänden, Kirchen, des haupt- und ehrenamtlichen Naturschutzes sowie der städtischen Verwaltung gegründet.


Biotopverbundkonzept

Biotopverbund LuBW

Bad Mergentheim hat im Sommer 2021 die Erarbeitung eines Biotopverundkonzeptes beauftragt. Dieses konnte Ende  2023 abgeschlossen werden.

Weshalb benötigen wir ein Biotopverbundkonzept?:

In den vergangenen Jahrzehnten sind viele wichtige Biotope - Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten- aufgrund von Nutzungsänderungen, Bebauungen oder Zerschneidungen der Landschaft (durch Straßen, Schienen oder Leitungstrassen) verloren gegangen. Dieser Flächenverlust ist enorm problematisch, da die vorhandenen Biotopflächen für das Überleben der Arten nun oft zu klein sowie zu isoliert sind. Ein genetischer Austausch der Arten ist oft nicht mehr möglich. Die Folge ist eine genetische Verarmung und eine Gefährdung der dauerhaften Überlebens.   

(Quelle: www.lubw.de)                                                                                                                                                                                                        

Ziel des Biotopverbundkonzeptes ist die dauerhafte Sicherung unserer heimischen Arten, Artengemeinschaften und ihrer Lebensräume. Die Stadt Bad Mergentheim wir durch das Biotopverbundkonzept Maßnahmenvorschläge erhalten um die oben genannten Ziele ereichen zu können. Um eine effiziente Umsetzung vor Ort gewährleisten zu können, benötigt es jedoch Unterstützung durch die örtliche Landwirtschaft, Naturschutz- und Jagdverbände, Forsteinrichtungen sowie Privatpersonen.

 

Aufbau des Biotopverbundkonzeptes:

Die Erstellung des Biotopverbundkonzepts basiert auf den Arbeitshilfen Landesplan Biotopverbund Baden-Württemberg (LUBW und Regierungspräsidien, 2014 – 2022) sowie eigenen Untersuchungen vor Ort. Es besteht zum einen aus einem Biotopverbundplan, welcher die aktuelle Bestandsituation darstellt und aus dem sich das Konzept ableitet. Zum anderen aus einem Maßnahmenplan, der als Entscheidungsanleitung für die jeweils geeigneten Umsetzungsmaßnahmen dienen soll.

Das vorliegende Biotopverbundkonzept ist nicht als Ausführungsplan zu verstehen, sondern muss vor Ort und Einzelfall spezifisch umgesetzt werden. Die Biotopverbundkonzeption versucht den ökologischen Rahmenbedingungen zu folgen. Die Tauber und ihre Aue sind als zentrale Achse von feuchtegebundenen Lebensräumen wesentlich, die Hochflächen haben ihren Schwerpunkt als Lebensraum für Arten, die freie Räume bevorzugen. Die Hänge des Taubertals und Seitentäler sind sehr kleinstrukturiert. Hier befinden sich viele kleine Biotope und viele Komplexbiotope, bei denen die Verbundplanung besonders wichtig, aber auch anspruchsvoll ist.

Die erste Karte des Biotopverbundkonzepts, der Biotopverbundplan, enthält die Darstellung von Biotypen trockener (rot), mittlerer (grün) und feuchter (blau) Standorte. Basis hierfür bildet die Auswertung der Biotopkartierung Baden-Württemberg (Stand 2020). In Komplexbiotopen vorhandene weitere Biotoptypen sind dabei als Tortendiagramm dargestellt, da auch sie für die ökologische Funktion einer Fläche Relevanz haben können.

Je nach Lage, Größe und Funktionen sind Schwerpunktgebiete unterschiedlicher Bedeutung gebildet, die miteinander in überwiegend eigenständigem Austausch stehende ökologisch wertvolle Flächen zusammenfassen und vorrangig als „Lieferbiotope“ dienen sollen. Dabei sind nicht nur die erfassten Biotope, sondern auch zwischen diesen oder an den Rändern liegende Flächen einbezogen.

Schwerpunktgebiete „hoher Relevanz“ bilden insbesondere die FFH-Gebiete und sonstigen Schutzgebieten (Naturschutzgebiete, flächenhafte Naturdenkmale). Sie sind vorrangig zu optimieren und miteinander funktional zu verbinden. Sie sollen prioritär der nachhaltigen Sicherung der Vorkommen charakteristischer Tier- und Pflanzenarten mit den Zielarten dienen. Nachrangig sind kleinere Flächen, Flächen mit weniger charakteristischer Artenausstattung oder Flächen, die in größerer Distanz zu den Schwerpunktgebieten hoher Relevanz liegen, zu entwickeln.

Als drittes Element des Biotopverbunds sind geeignete Verbindungskorridore und -flächen definiert. Dies sind Bereiche ohne ausreichende Anbindung an bestehende Schwerpunktgebiete, welche jedoch aufgrund vorhandener Einzelflächen höherer ökologischer Relevanz oder aufgrund ihrer Lage in der Kulturlandschaft geeignet sind, die verbindenden Elemente oder Trittsteine des Biotopverbunds aufzunehmen oder vorhandene Elemente gewinnbringend auszubauen.

 

Umsetzung der Maßnahmen:

Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht flurstücksscharf und detailliert geplant. Die Biotopverbundplanung richtet sich eher an sogenannte Kernflächen und Suchräume. Innerhalb der Suchräume kann nun ein geeigneter Maßnahmen-Mix gewählt werden. Die Umsetzung erfolgt in der Regel über die Landwirtschaft oder den amtlichen Naturschutz. Das bedeutet, dass Landwirte zukünftig im Rahmen der Beratungen zum Gemeinsamen Antrag zielgerichtet beraten werden und entsprechende FAKT-Maßnahmen wählen können. Ebenso kann die untere Naturschutzbehörde bzw. der Kommunale Landschaftspflegeverband in entsprechenden Kern- und Suchräumen auf Landwirte zugehen und die Maßnahmen über sogenannte Landschaftspflegeverträge umsetzen. Die Maßnahmenumsetzung basiert auf Freiwilligkeitsbasis. 

Das Biotopverbundkonzept bietet der Stadtverwaltung Grundlagen für die Umsetzung von Ausgleichs- und Ökokontomaßnahmen im Rahmen des Bau- und Naturschutzrechts. Erste Maßnahmen sollen bereits am nächsten "Runden Tisch Biodiversität" im Jahr 2024 vorgestellt werden.

Sie können die Bestands- und Maßnahmenkarten sowie die textliche Konzeption unten einsehen.


Waldumbau

Dem heimischen Wald geht es nicht gut. Die Trockenheit, mitunter regelrechte Dürre, und der Borkenkäfer haben den Beständen schwer zugesetzt. Vor allem die Fichtenwälder sind davon betroffen. Der Gemeinderat hatte aus diesem Grund 2020 eine „Projektgruppe Waldumbau“ gebildet - mit Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinderatsfraktionen, der Stadtverwaltung und des Forstamtes.

„Waldumbau“ bedeutet, dass die Wälder an die für sie schwierigen Bedingungen des Klimawandels ein Stück weit angepasst werden (soweit dies möglich ist). Gleichzeitig soll die Baumartenvielfalt erhöht werden, was sich auch positiv auf den „Lebensraum Wald“ insgesamt auswirkt. Der Forst-Ertrag wird dabei nachrangiger gewichtet als früher. Beim so genannten „Waldumbau“ im Bad Mergentheimer Stadtwald ist in den vergangenen Monaten einiges passiert: 20.000 neue Bäume vieler besonders zukunftsfähiger Sorten sind gepflanzt worden. Die große Baumartenvielfalt umfasst Tulpenbaum, Baumhasel, Roteiche, Stieleiche, Traubeneiche, Bergahorn, Zeder, Douglasie, Hybridlärche, Spitzahorn, Fichte (in Mischung zu Douglasie), Walnuss, Hybridnuss, Schwarzkiefer, Elsbeere und Speierling. Viele dieser Baumarten kommen mit den steigenden Temperaturen besser klar und haben deshalb gute Chancen, sich stabil zu entwickeln.

Im Bereich „Geißberg“ stecken beispielsweise auf einem größeren Feld junge Tulpenbäume in ihren schützenden Wuchshöhlen. Im „Wachbacher Buchholz“ wachsen Douglasien und ein großes Feld Bergahorn. Hier können die Fachleute auch sehr gut beobachten, wie sich bereits 2016 gepflanzte Bäume bisher entwickeln: Die Hybrid-Lärche und die Weißtanne gedeihen sehr gut, was Hoffnung macht.

 

                      

1: Bergahorn 2: Douglasie 3: Tulpenbaum


Runder Tisch Biodiversität

Seit der ersten Zusammenkunft im Mai 2019 ist viel passiert! Stadt- und Kurverwaltung, Gemeinderat und Jugendgemeinderat, wichtige Fachabteilungen des Landkreises (Umweltschutzamt, Landwirtschaftsamt, Landschaftspflegeverband) sowie weitere Interessensgruppen und Institutionen wie die Naturschutzgruppe, Kirchen, Fridays for future, Imker, Jäger, Bauernverband, Weinbauverein und Forst haben einige Projekte diskutiert und initiiert. 

So gilt im neuen großen Baugebiet Auenland III ein Verbot von so genannten „Steingärten“. Außerdem sind dort Dächer bis zu einer gewissen Neigung zu begrünen, bei Garagendächern ist dies grundsätzlich für die halbe Fläche vorgeschrieben. Ein konkretes Beispiel, wie durch Innenentwicklung der Flächenverbrauch reduziert wird, kommt aus dem Teilort Apfelbach: Hier konnten durch den Kauf einer alten Hofstelle und deren Umgestaltung insgesamt vier neue Bauplätze geschaffen werden. Zur neuen Bauleitplanung gehört auch, dass aktuelle Pläne einen höheren Verdichtungsgrad vorsehen.


Biologische Vielfalt im Straßenraum

Täglich engagiert im Einsatz für mehr Biodiversität ist auch der städtische Bauhof: Freiflächen, Straßenränder und Kreisverkehre werden mit artenreichen Staudenmischpflanzungen versehen. Dabei wird - wo sinnvoll - auf gebietsheimisches Saat- bzw. Pflanzgut zurückgegriffen. Das Zusammenspiel von frühblühenden Blumenzwiebeln und winterblühenden Gehölzen ergibt eine fast ganzjährige Blüte. Bäume und Sträucher erfüllen das Kriterium „stadtklimaverträglich“. Gedüngt wird nur mit organischem Dünger. Auf Rasenflächen und Spielplätzen wird inzwischen nicht mehr nur auf Pestizide, sondern komplett auf Dünger verzichtet. Für Rasenflächen, die nicht unmittelbar an Wege oder Straßen grenzen, gelten längere Mäh-Intervalle. Mit dem Mulchen wartet das Bauhof-Team bis nach der Blüte und der Aussaat. Die Berghornallee an der Bismarckstraße soll mit ihren zahlreichen Stammhöhlungen und Totholzanteilen – einem wichtigen Lebensraum – unter Berücksichtigung der Verkehrssicherungspflicht möglichst lange erhalten bleiben.

Milchlingstr.   Löffelstellzen

(Milchlingstraße Mergentheim und Blühfläche am Kreisverkehr in Löffelstellzen)

In Kernstadt und Teilorten gilt zudem das Motto „naturnahe Pflege“. Das bedeutet nicht nur, dass umstrittene Chemikalien wie Glyphosat tabu sind, sondern heißt auch: mehr Pflege von Hand und mit mechanischen Verfahren. Wobei bei den letzteren sogar zunehmend eine Umstellung auf emissionsfreie Elektro-Geräte erfolgt. In Bad Mergentheim wird darauf geachtet, das besondere Ambiente der Stadt in Einklang mit der Natur zu gestalten. Bei der Pflege des weitläufigen Kurparks kommen Elektro-Fahrzeuge zum Einsatz, Brunnen werden mit energiesparenden Pumpen betrieben und die Beleuchtung nutzt effiziente Technologien.


Auebiotop Edelfingen

Im neuen Auenbiotop Edelfingen, das 2020 angelegt wurde, entsteht Lebensraum für eine ursprüngliche Tier- und Pflanzenwelt. Die Einsaaten waren gut aufgegangen wodurch eine artenreiche Wiese entstehen konnte. An den Prallhängen der Tauberausbuchtungen wurde im März 2021  erstmals der Eisvogel gesichtet. Ebenfalls sammelten Rauchschwalben im Frühjahr fleißig Nistmaterial und in allen Tümpeln sind zahlreiche Kaulquappen und nun mittlerweile Frösche vorhanden. Auch konnten im August 2021 mehrere Ringelnattern gesichtet werden.

Das Auebiotop soll langfristig ein wichtiger Bestandteil im Biotopverbund der feuchten Standorte sein. Dies beinhaltet auch eine entsprechende Pflege. Die Fläche wird 3 Mal pro Jahr mit Schafen beweidet. Um eine möglichst hohe Artenvielfalt zu erhalten werden sogenannte Altgrsstreifen von der Beweidung ausgespart. Hierdurch können Blühpflanzen aussamen. Ebenso bieten die Altgrasstreifen Insekten und auch Vögeln und Amphibien/Reptilien einen geeigneten Rückzugsraum. Der Altgrasstreifenbereich wird erst im darauffolgenden Jahr mitbeweidet, da er Insekten und Kleinstlebewesen eine Überwinterungsmöglichkeit bietet.

Ob Störche oder andere mittlerweile seltene Vogelarten der Feuchtgebiete das Auebiotop bald als Nahrungs-/Lebensraum wählen bleibt spannend.

Doch Achtung! Es handelt sich hierbei um eine Fläche für den Naturschutz. Wir bitten Sie daher nicht auf der Fläche spazieren zu gehen. Lassen Sie auch bitte Ihren Hund nicht über die Fläche springen. Vielen Dank!

 

 

(Auebiotop Juni 2021)

(Blütenreichtum in Altgrasstreifen Ende Juli 2021)


Trockensteinmauern Ketterberg

Ausführlich widmet sich das Stadtbauamt auch den Trockensteinmauern am Ketterberg die Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten der trockenen / heißen Standorte bieten. Mit der Reaktivierung der Natursteinmauern gibt es die Möglichkeit Lebensraum für seltene Arten wie den vom Aussterben bedrohten „Segelfalter“ zu schaffen. Der Zustand der Trockenmauern wurde sorgfältig analysiert. Geplant ist die Sanierung von jährlich 30 Quadratmetern Trockensteinmauer durch den Kommunalen Landschaftspflegeverband, woran sich die Stadt Bad Mergentheim jährlich mit einem weiteren Abschnitt beteiligen wird.

Trockenmauer Ketterberg

(Wiederaufbau Trockenmauer am Ketterberg)


Fließgewässer

Zwei Fließgewässer prägen Bad Mergentheim entscheidend mit: die Tauber und der Wachbach. Insbesondere der Wachbach ist tief eingeschnitten und teilweise überdeckelt, die Ufer sind fast vollständig verbaut. Da der Bach mitten durch die Stadt fließt, fehlen Retentionsräume und es besteht erhöhte Hochwassergefahr, weshalb der Wachbach renaturiert werden soll. An der Tauber werden unkontrollierte Zugänge ans Wasser geschaffen, was ein Eingriff in Lebensräume geschützter Arten bedeutet, da Angebote für Freizeit und Erholung fehlen. Mit der Schaffung neuer Aufenthaltsplätze wie dem Stadtstrand, möchte die Stadt Besucherströme zukünftig besser lenken und somit Rückzugsflächen für Flora und Fauna ermöglichen. Auch das Thema Hochwasserschutz wird rund um die Fließgewässer weiterhin präsent bleiben.

 

 

(Bild: Holger Schmitt)